Konservative und Unionistische Partei

Konservative und Unionistische Partei
Konservative und Unionịstische Partei,
 
englisch Conservative and Unionist Party [kən'səːvətɪv ənd 'juːnjənɪst 'pɑːtɪ], seit dem offiziellen Zusammenschluss mit den liberalen Unionisten 1912 Name der britischen konservativen Partei (Conservative Party), hat als Nachfolgerin der Tories seit ihren Anfängen (um 1830) maßgeblich die britische Politik mitbestimmt.
 
Die Programmatik der britischen Konservativen steht in der Tradition der Ideen E. Burkes, der 1791 in seinen »Reflections on the Revolution in France« der abstrakten Staatskonstruktion des revolutionären Rationalismus die durch Überlieferung ausgewiesene, geschichtlich gewachsene freiheitliche Verfassung Englands entgegenstellte. Seit ihrer Entstehung lässt sich die Partei von dem Grundsatz leiten, um der Bewahrung des Status quo willen - wenn notwendig - in flexibler Pragmatik Reformen zu akzeptieren oder selbst einzuleiten. Im »Tamworth Manifesto« (1834) bekannte sie sich zur Wahlrechtsreform von 1832.
 
In Auseinandersetzung mit den Liberalen prägte B. Disraeli 1872 die Ziele konservativer Politik: Bewahrung der überlieferten »Verfassung« (gegen »unenglische« republikanische Tendenzen), Erhaltung und Vergrößerung des Kolonialreichs, soziale Hebung der Lebensbedingungen des Arbeiterstandes, Darstellung der konservativen Partei als »klassenübergreifende«, nationale Partei. Diese Grundlinien bestimmten die Politik der Konservativen bis ins 20. Jahrhundert Hatte die Partei nach 1945 zunächst die Reformmaßnahmen der Labour Party übernommen (z. B. im Wahlmanifest von 1949: »The right road for Britain«), so suchte sie seit Mitte der 70er-Jahre unter Führung von Margaret Thatcher in scharfer Konfrontation zur Labour Party eine neue konservative Linie vor allen Dingen in der Wirtschaftspolitik (Thatcherismus) zu realisieren. In ihrer Außenpolitik vollzog sie Anfang der 60er-Jahre den Übergang von der weltpolitischen zur europapolitischen Orientierung, wenngleich die USA der Hauptpartner blieben.
 
 
An der Spitze der Partei steht der von der konservativen Unterhausfraktion (seit 1965) gewählte Parteiführer. Dieser ernennt den »Whip« (»Einpeitscher« als Leiter der konservativen Unterhausfraktion) und den »Vorsitzenden der Parteiorganisation«. Das »Zentrale konservative Büro« koordiniert die Parteiarbeit und dient als Zentrale der »Nationalen Union« (Dachverband von mehr als 500 lokalen Vereinigungen).
 
 
Unter der Führung von Sir R. Peel traten die Tories seit der Wahlrechtsreform von 1832 als »Conservatives« für die »Erhaltung und Bewahrung der existierenden Institutionen« ein. Ansätze zu einer überregionalen Parteizentrale bildeten sich 1832 mit dem »Carlton Club«. Als die 1841-46 von Peel geführte konservative Regierung 1846 die Getreidezölle abschaffte und sich für den Freihandel entschied, spaltete sich die Partei in die »Peeliten« (Befürworter des Freihandels) und die »Protektionisten« (Gegner des Freihandels). Unter Führung von B. Disraeli, E. G. Stanley (später Lord Derby) und Lord George Cavendish-Bentinck setzten sich die Protektionisten innerparteilich durch. In den nächsten Jahrzehnten sahen sich die Konservativen meist in die Opposition (gegen die Liberalen) verwiesen.
 
In den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts legte Disraeli mit der von ihm (unter Abwendung vom Protektionismus) durchgesetzten national-imperialistischem Programmatik, der weiterentwickelten Parteiorganisation und der von seiner (ersten) Regierung (1866-68) durchgeführten Wahlrechtsreform (1867) die Grundlagen für eine Periode konservativer Vorherrschaft (1874-1905). Die Verstärkung der Konservativen durch die liberalen »Unionisten« unter J. Chamberlain (seit 1886) führte 1912 zum offiziellen Zusammenschluss. In den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts bestand eine starke innenparteiliche Opposition um Lord R. Spencer Churchill, der u. a. mithilfe der »Primerose League« eine weitere Demokratisierung der Partei anstrebte. 1906-15 wieder in der Opposition, bildeten die Konservativen nach Beginn des Ersten Weltkriegs eine Koalitionsregierung, die bis 1922 bestand.
 
Unter den Parteiführern A. Bonar Law, S. Baldwin, A. N. Chamberlain und W. Churchill bestimmten die Konservativen 1922-45 mit kurzen Unterbrechungen (1924; 1929-31) die Regierung; 1940-45 führte Churchill eine Allparteienregierung. Zwischen den Weltkriegen trat die Partei in Konfrontation mit der nach 1918 aufgestiegenen Labour Party als Anwalt des Privateigentums an den Produktionsmitteln, der Marktwirtschaft und der kolonialpolitischen Positionen Großbritanniens (beispielsweise in Indien) hervor.
 
Nach ihrer Wahlniederlage (1945) bemühte sich eine neue Generation konservativer Politiker (u. a. R. A. Butler, D. Maxwell-Fyfe, H. MacMillan, R. Maudling) um eine Reform der Partei in Aufbau und Programm (Bekenntnis zum Wohlfahrtsstaat und zum Abbau kolonialer Positionen). 1945-51, 1964-70 und 1974-79 in der Opposition, stellten die Konservativen mit W. Churchill, A. Eden, H. MacMillan, A. Douglas-Home (1951-64) und E. Heath (1970-74) den Regierungschef. 1975 wurde M. Thatcher Parteiführerin (seit 1979 Premierminister); unter ihr suchte die Partei stärker die von der Labour Party geprägten wohlfahrtsstaatlichen Strukturen Großbritanniens im Sinn einer marktwirtschaftlich orientierten Leistungsgesellschaft zu verändern. Wegen ihrer starren Europapolitik und der sich zuspitzenden innenpolitischen Konflikte (v. a. infolge der Steuererhöhungen, so genannte Poll-Tax) innerparteilich zunehmend kritisiert, wurde sie im November 1990 in der Parteiführung von J. Major abgelöst. Während die Partei bei den Unterhauswahlen im April 1992 noch ihre absolute Mehrheit verteidigen konnte, erlitt sie bei den Kommunal- und Nachwahlen ab 1993 sowie bei der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 1994 eine Reihe schwerer Niederlagen. Ursache hierfür war neben dem starken Ansehensverlust des Partei- und Regierungschefs Major der seit 1992 verschärfte innenparteiliche Streit um die Europapolitik; dieser wurde v. a. dadurch geprägt, dass die konservativen Euroskeptiker gegen die Währungsunion, die Bemühungen um eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik der EU-Staaten und die weitere Abgabe nationaler Entscheidungsbefugnisse an europäischen Institutionen auftraten, (Höhepunkt der Auseinandersetzung: Ausschluss der »Euro-Rebellen« aus der konservativen Unterhausfraktion, November 1994). Im Juni 1995 trat Major mit dem Ziel, den rechten Parteiflügel zu disziplinieren und so die Spaltung der Konservativen zu überwinden, als Parteichef zurück und machte sein Verbleiben im Amt des Premierministers von seiner Wiederwahl als Parteichef abhängig. Bei der Abstimmung der konservativen Unterhausfraktion über die Parteiführung Anfang Juli setzte er sich mit 66 % der Stimmen durch. Durch politische Affären und Parteiübertritte von konservativen Abgeordneten zur Labour Party und Liberal Party sowie weitere Verluste bei Nachwahlen zum Unterhaus deutlich geschwächt, verlor die Partei Ende 1996 ihre Mehrheit im Unterhaus.
 
Bei den Unterhauswahlen am 1. 5. 1997 erlitten die Konservativen eine schwere Niederlage gegen die Labour Party und mussten nach 18 Jahren die Regierungsverantwortung abgeben. J. Major erklärte daraufhin seinen Rücktritt als Parteiführer. Im Juni 1997 wählte die konservative Unterhausfraktion William Hague (* 1961) zum Oppositionsführer und neuen Parteivorsitzenden. Dieser vermochte mit einer euroskeptischen Politik gegenüber dem pragmatischen, sich auf breite Zustimmung stützenden Regierungskurs der Labour Party kaum Einfluss zu gewinnen und musste bei den Unterhauswahlen Anfang Juni 2001 eine weitere schwere Niederlage seiner Partei hinnehmen; daraufhin trat auch Hague zurück. Zu seinem Nachfolger als Parteiführer wurde im September 2001 I. D. Smith gewählt.

Universal-Lexikon. 2012.

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